15.05.22
Es war in der Vergangenheit für jeden Jäger, der sich auch als Heger und Naturschützer fühlt, immer wieder ein trauriger Anblick, nach der Grünfuttermahd die Verluste zu zählen.
In erster Linie waren es Kitze. Aber auch Junghasen und Rebhuhngelege fielen der Mähtechnik trotz aller Bemühungen der Jäger durch Absuchen der Grünflächen mit dem Vorstehhund oder Aufstellen von Flaggen vor der Mahd immer wieder zum Opfer.
Die immer weitere Entwicklung der Erntetechnik führte mit immer leiseren Motoren, höheren Arbeitsgeschwindigkeiten und größeren Arbeitsbreiten auch zu immer größeren Fallwildstrecken.
Selbst ältere, schon relativ mobile Kitze, die in der Vergangenheit vor dem näherkommenden Häcksler fliehen konnten, haben heute keine Chance mehr. Sie hören eine Maschine, die teilweise mit 20 km/h fährt, nicht kommen und laufen in das Mähwerk.
Vor 6 Jahren fand im „Gut Klockenhagen“ in der Nähe von Ribnitz, eine der ersten Aktionen zur Kitzortung unter Einsatz von Drohnen statt, organisiert durch den Geschäftsführer, der nicht nur Landwirt, sondern auch ein begeisterter Jäger ist.
Akteur war eine Gruppe der „Wildtierhilfe MV“, ausgerüstet mit schon damals imponierender Technik.
Zuschauer waren zugelassen und auch in reichlicher Anzahl vorhanden, obwohl der Einsatz ja nachts stattfand. Ich bot mich als Helfer an und durfte zusehen.
Es war beeindruckend, mit welcher Präzision und Effektivität ein eingespieltes Kollektiv eine zur Ernte vorgesehen Fläche vor der Mahd absuchen und die von der Ricke abgelegten Kitze markieren kann.
Am Rande der Aktion versuchte ich möglichst viele Informationen zu sammeln, um später im Hegering eine gleiche Initiative ins Leben zu rufen und erhielt auch zu fast allen Fragen bereitwillig Auskunft. Die Atmosphäre kühlte sich aber augenblicklich ab, als ich mich als Jäger zu erkennen gab. Als ich mir später die Website der „Wildtierhilfe MV“ ansah, war klar warum.
Trotz aller Gegensätze versuchten wir vom Hegering aus mehrfach die Tierretter zum Erfahrungsaustausch und Einsatz in unserem Gebiet zur Hegerings Versammlung einzuladen. Nach drei erfolglosen Versuchen gaben wir es frustriert auf. Aber die Idee ließ mich nicht los und ich beschloss mit eigenen Mitteln zu starten.
Angefangen mit der einfachsten Technik (Parrot Bebop Power Thermal) liegen mittlerweile fünf Jahre Erfahrung hinter mir und die Ausrüstung ist zwischenzeitlich soweit optimiert, dass zwei Mann ausreichend sind, um die Aktionen auszuführen.
In der Saison 2021 haben wir vom 28. Mai bis zum 08. Juli in 75 Stunden reiner Flugzeit 1.264 ha abgeflogen und dabei 121 Kitze sowie ein Stockentengelege vor dem Mähtod bewahrt.
DROHNENEINSATZ ZUR KITZRETTUNG IM JV NORDVORPOMMERN
DIE ERFAHRUNGEN VON 5 JAHREN EINSATZ
Nebenbei wurden noch zwei entlaufene Jagdgebrauchshunde gesucht und gefunden sowie eine große Zahl von Hasen aus der Sasse aufgemüdet und vom Acker gescheucht, bevor der Häcksler kam.
Für interessierte Waidgenossen noch einige Bemerkungen zur aktuellen Ausrüstung und den Abläufen der Kitzrettung:
Zu meiner verwendeten Technik gehört:
- die Drohne Typ DJI Mavic2 Enterprise Advanced mit Autopilotsystem
- für die Energieversorgung entweder ein Generator oder aktuell bei mir 2 x 240 Ah AGM Fließbatterien mit einem 2,5 kw Wandler, bei mir alles fest verbaut im KFZ (die 480Ah reichen aus um das ganze System mehrere Tage lautlos zu betreiben)
- eine ausreichende Anzahl von Obstkörben, deren Boden mit Signalfarbe eingesprüht wird, dazu 2 Weidezaunpfähle je Korb
- ein 32 Zoll Display, in einem praktischen Koffer, damit der Läufer und interessierte Zuschauer das von der Drohne gesendete Bild ansehen können, während der Pilot sich auf das Fliegen konzentriert
- wenn möglich ein Quad für den Läufer, wenn es sich um große Schläge handelt
- mindestens zwei Handfunkgeräte
- 4 – Fach Ladegerät für die Drohne, 2 – Fach Ladegerät für die Funkgeräte und 2 – Fach Ladegerät für die Austausch-Akkus der Fernsteuerung
- Sender – u. Empfängermodul für schnurlose Bildübertragung
- Alles zusammengefasst in einem praktischen Rollkoffer
- unser Quad + PickupWandler und Akku sind fest im Fahrzeug verbaut. Der Pickup bietet genug Platz für 2 Personen, 15 Körbe, den Drohnenkoffer und das Quad. Ein Anhänger ist nicht nötig.zum Ablauf der Aktion:Geflogen wird (nach langen Tests und Vergleichsflügen) mit 10 % Überlappung und einer Geschwindigkeit von 6 – 10 m/s in einer Höhe von 40 – 70 m, je nach Vegetationshöhe und Sonneneinstrahlung.
- Sobald ein Kitz geortet ist, setzt sich der Läufer auf sein Quad und fährt ab. Er orientiert sich zunächst am Positionslicht der Drohne und wird dann auf den letzten Schritten vom Piloten per Sprechfunk gelenkt.
Ist das Kitz ausgemacht, stülpt der Läufer den Korb über das Kitz und fixiert diesen mit den Weidezaunpfählen am Boden. Das ist unbedingt erforderlich, da das Kitz nach dem Weggang des Läufers zunächst unruhig wird und den Korb sonst umkippt.
Nach kurzer Unruhe liegt das Kitz wieder ruhig unter dem Korb und hält sogar mehrere Stunden aus. Der Traktorist kann später mit voller Geschwindigkeit arbeiten, weil er die Körbe durch die Signalfarbe schon von Weitem sieht und umfahren kann.
Sobald der Schlag gemäht ist, nimmt der Landwirt oder ein Helfer die Körbe ab. Es dauert in der Regel nur wenige Minuten, bis die Ricke anschließend das Kitz abholt.
In der zweiten Hälfte der Saison wird ein weiterer Läufer benötigt, der sicherheitshalber einen Kescher mitführt, weil die Kitze immer mobiler werden. Ansonsten bleibt die Verfahrensweise die gleiche.
Vorteil dieser Methode ist, dass das Kitz in keiner Weise berührt oder weggetragen werden muss.
Es bleibt an Ort und Stelle, hat kaum Stress und hält auf diese Weise sogar notfalls mehrere Stunden aus. Selbst bei starker Sonneneinstrahlung bietet der Korbboden genug Schatten für das darunter liegende Kitz und die luftigen Seitenwände lassen den Wind gut durch. Auch bietet der Korb Schutz vor Beutegreifern.
Im Gut Klockenhagen, mit dem wir in ständigem Erfahrungsaustausch stehen, wird auf die gleiche Weise sehr erfolgreich verfahren.
Für diese Saison haben sich zwei weitere Hegeringe unseres Kreisjagdverbandes unter Zuhilfenahme der Bundesförderung mit einer Drohne ausgerüstet, um auf die gleiche Weise in der Grünfutterernte in Aktion zu treten. Und werden durch uns technisch beraten und trainiert.
Bei weiteren Fragen kontaktieren Sie uns – Mike und Jörg Erben.