Jagdethik in Nordvorpommern:
Grundsätzliches zu ethischen Grundlagen bei der Jagdausübung in Deutschland.
In Knauers Großem Jagdlexikon (1999) wird Jagdethik definiert als „die Bezeichnung für das sittliche Wollen und Handeln in Normen und Regeln bei der Jagdausübung“ unter Zugrundelegung der Verantwortung und Verpflichtung gegenüber dem Wild.
Wenn der Begriff weiter gefasst wird, betrifft er auch den Umgang mit und die Verpflichtung des Jägers gegenüber den vierbeinigen Jagdhelfern, Mitjägern und Nicht-Jägern.
Dies macht besondere Verhaltensweisen bei der Jagdausübung erforderlich.
Mit deren Anwendung wird
- aus dem Schießen auf wildlebende Tiere ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur,
- aus der Anwendung einfacher handwerklicher Grundkenntnisse Jagdausübung im Sinne des § 1 BJG.
- aus der einfachen Nutzung von Grundeigentum und dem darauf lebenden Wild eine nachhaltige Bewirtschaftung,
- aus dem Eingriff in den Bestand wildlebender Tiere ein Einsatz für die Biodiversität.
1. Jagdliche Ethik bewegt sich immer im Rahmen rechtlicher Vorgaben und führt unter Berücksichtigung der Gebote und Verbote zu einer an ethischen Werten orientierten Einzelentscheidung. Formell bedeutet dies, Entscheidungen zu treffen, die rechtlich möglich sind, Verpflichtungen zu erfüllen, die nicht immer gesetzlich normiert sind oder Tätigkeiten zu unterlassen, obwohl sie zugelassen wären.
2. Jagdethik ist abzugrenzen
– von der Jagdkultur als überlieferte jagdliche Tradition,
– von jagdlichem Brauchtum, das als Bestandteil der jagdlichen Kultur gepflegt wird und sich im Rahmen geänderter Praxisanwendung und wissenschaftlicher Erkenntnisse fortentwickelt und
– von bloßen Sitten und Gebräuchen, die es zu erhalten gibt, die aber nicht die Bedeutung jagdlicher Wertvorstellungen erreichen.
3. Normiert ist die Jagdethik in der Verpflichtung des § 1 Abs.3 BJagdG, bei der Ausübung der Jagd die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten. Dies bedeutet, dass es sich im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffes um Gesichtspunkte handelt, die revierübergreifend gelten, sich in Deutschland entwickelt haben, die aber durchaus auch Änderungen und Fortentwicklungen unterworfen sind. Jagdethik ist stets im Wandel, ohne dass sich der jagdliche Kern verändert. Die Entwicklung erfolgt stets parallel zum Wandel gesellschaftlicher Werte und in gegenseitiger Beeinflussung. Jagdethik schließt damit die „Waidgerechtigkeit“ mit ein, kann aber darüber hinausgehen.
4. Jagdausübung ist eingebunden in unterschiedliche Schutz- und Nutzungs-bereiche, bei denen öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Bei dieser Abwägung sind die jagdlichen Wertvorstellungen einzubringen und zu bewerten.
5. Dies bedeutet im Einzelnen:
a) Jagd ist angewandter Natur- und Tierschutz.
Als solcher ist er nicht nur international anerkannt, sondern zur Erhaltung biologischer Vielfalt unverzichtbar. Jäger verbessern Lebensräume, erhalten gefährdete heimische Arten wirksam, gehen mit eingewanderten Tierarten ebenso um wie mit heimischen Beutegreifern. Sie regulieren und erhalten artenreiche Wildbestände.
b) Die Bewirtschaftung wildlebender Tiere erfolgt lebensraumbezogen
Wildlebenden Tieren müssen geeignete Lebensräume zur Ansiedlung oder zur Wiederbesiedlung ermöglicht werden; Wanderungen zum Austausch zwischen einzelnen Populationen verhindern genetische Verarmung. Querungshilfen an menschlich geschaffenen Verkehrswegen müssen Wanderungshindernisse beseitigen. Bejagung hat sich am Lebensraum und der biologischen Vielfalt zu orientieren.
c) Wildlebende Tiere sind jeder anderen Nutzungsmöglichkeit gleichrangig
Beim Umgang mit wildlebenden Tieren in ihrem Lebensraum sind Regulierungen der Bestände ebenso erforderlich wie die Erhaltung des erforderlichen Freiraumes. Abwägungen unterschiedlicher Arten des Umgangs mit Grundstücken und ihren Bestandteilen können nicht durch einseitige Eingriffe beeinträchtigt werden. Es sind in der Regel lebensraumbezogene Abwägungen vorzunehmen. Wildtiere sind stets wesentlicher Teil ihres Lebensraumes. Deshalb kann es keine einseitigen Vorrangstellungen geben.
d) Jagdausübung und jagdliche Eingriffe in Wildbestände sind unverzichtbare Bestandteile einer ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft
Dies erfordert Verständnis für die unterschiedlichen Aufgaben, Information über Einzelaktionen, Absprachen über Vorgehensweisen und Unterstützung bei Jagdausübung oder Bewirtschaftung.
Dem widerspricht jegliche Festlegung, wonach Nutzung vor Lebensraum, Wald vor Wild gesetzt werden sollte. Unserem Jagdsystem wird nur das Miteinander von Wald und Wild, von Nutzung und Lebensraum gerecht.
e) Jagdausübung braucht umfassende Ausbildung, behördliche Legitimation und Weiterbildung
Jagdausübung erfordert eine bundesweit vergleichbare Legitimation, in der alle jagdlichen Tätigkeitsbereiche beinhaltet sind. Jagdliche Ausbildung, Jägerprüfung und jägerische Fortbildung müssen umfassend und vergleichbar sein.
f) Bejagung lässt keine Einschränkungen für einzelne Grundstücksflächen zu
Losgelöst vom Einzeleigentum muss die Jagdausübung flächendeckend und eigentumsübergreifend erfolgen. Ein wirksamer Umgang mit der jägerischen Aufgabe kann nicht durch von der Bejagung ausgenommene Flächen des Lebensraumes gefährdet werden. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt lässt von Menschen gesteuerte einseitige Entwicklungen wildlebender Populationen nicht zu.
g) Weidgerechtigkeit ist für jägerische Verantwortung unverzichtbar
Pflanzen und Tiere sind Bestandteil der Schöpfung. Tier- und naturschutzgerechte Jagd bedeutet deshalb Respekt vor der lebenden Kreatur, vor Menschen, Tieren und Pflanzen. Deshalb kann Jagdausübung nur auf dem Hintergrund des Vorranges der Weidgerechtigkeit erfolgen. Die Beseitigung dieses Grundsatzes würde der Veränderung des Jagens zur Schädlingsbekämpfung hin Vorschub leisten.
h) Wildtiermanagement kann nur langfristig erfolgen
Die Erhaltung und Sicherung der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen machen eine langfristige Verantwortung von Jagdausübungsberechtigten für die in ihre Obhut gegebenen Flächen notwendig. Weder durch reduzierte Mindestpachtdauer noch durch kurzfristige jagdliche Nutzungsmöglichkeiten kann ein ökologisch sinnvolles Wildtier- und Biotopmanagement erfolgen. Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung brauchen lange Fristen für die Verantwortung. Sie sind erforderlich, um eine Kommerzialisierung zu verhindern und Jagd auf bloßes Töten von Tieren zu reduzieren.
i) Fangjagd ist Bestandteil des Jagens ebenso wie der Einsatz gut ausgebildeter Jagdhunde
Nichtheimische, aber sich rasch ausbreitende Arten wie Marderhund, Waschbär, Mink und Nutria, müssen intensiv bejagt werden, um ihren negativen Einfluss auf heimische Artenvielfalt zu begrenzen. Dies gilt gleichermaßen für Kulturfolger, die Gewinner des Wandels in der Kulturlandschaft sind. Dies macht die Fangjagd- auch im befriedeten Bereich – zur Regulierung dämmerungs- und nachtaktiver Räuber unverzichtbar.
Insoweit dient Jagd mit Fangjagd dem Artenschutz. Gleichzeitig müssen gut ausgebildete Jagdhunde für den jägerischen Einsatz zur Verfügung stehen. Eine entsprechende Ausbildung zum Schutz von Hund und Wildtier ist unerlässlich und aus Gründen des Tierschutzes zwingend.
Die Jagdethik erfüllt somit die Anforderungen an ein über lange Zeiträume entwickeltes schutzwürdiges Jagdwesen, bewahrt es vor der Ausbreitung sinnentleerter Ideologien oder von der Degradierung auf bloße wertfreie Handlungen und lässt die Jagdausübung im Rahmen der jagdlichen Betätigung auf den Grundflächen dauerhaft gestalten und erhalten.